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   Die Auslegung des Hebräerbriefs: beginnend mit den Lesern

Viele finden, dass der Brief an die Hebräer ein Buch ist, das schwierig auszulegen ist. Vielleicht besteht die größte Schwierigkeit in der Auslegung der fünf warnenden Abschnitte (2:1-4; 3:7 - 4:13; 6:1-8; 10:26-39; 12:25-29). Viele Kommentare behandeln diese als Warnungen an die Ungläubigen unter den Lesern. Dies betrachtet die Zielgruppe für die Warnungen als diejenigen, die den Glauben bekennen, aber nicht besitzen. Aber ist das konsistent mit den Anhaltspunkten im Text? Die meisten stimmen darin überein, dass der Rest des Buches ganz klar an Gläubige gerichtet ist. Gibt es irgendeinen offenkundigen Unterschied zwischen der Art und Weise, wie diese Warnungen die Leser ansprechen und dem Rest der Epistel?

Indizien außerhalb der Warnungen

Der gesunde Menschenverstand zeigt, dass die Epistel an Gläubige geschrieben wurde, womit die meisten übereinstimmen. Hierzu muss wenig gesagt werden. Abgesehen von den Warnungen finden wir, dass die Leser als "Brüder" (10:19; 13:22) und "heilige Brüder" (3:1) angesprochen werden. Es werden zu ihnen Dinge gesagt, die nur für Christen zutreffen (vergl. 3:1; 6:9; 5:12; 10:24-25). Bemerkenswert ist, dass all dies kurz vor oder nach den warnenden Abschnitten passiert.

Ermahnungen

Die Art der Ermahnungen im Kapitel 13 zeigt ebenfalls, dass diese offensichtlich für Gläubige bestimmt sind. Es gibt keinen Versuch, die Ermahnungen auf zwei verschiedene Gruppen anzuwenden. Tatsächlich werden in der ganzen Epistel die warnenden Abschnitte nirgendwo mit irgendeiner Überleitung eingeführt, die darauf hinweisen würde, dass der Autor seine Aufmerksamkeit einer anderen Gruppe von Lesern zuwendet. Alles andere wäre eine künstliche Unterstellung und daher störend für den Textfluss.

Indizien in den Warnungen

Wir untersuchen nun, wie der Autor mit denen spricht, die er warnt. Seine Wortwahl macht deutlich, dass es Christen sind.

  1. Sie werden in der ersten Person Plural angesprochen, womit gezeigt wird, dass der Autor sich mit ihnen als Gläubige identifiziert ("wir" in 2:1,3; 3:14,19; 4:3; 10:26,30,39; 12:28; and "uns" in 4:1,2,11; 6:1,3; 10:26,30,39; 12:28).
  2. Sie werden ebenso "Brüder" genannt (3:12). Genau wie in den nicht-warnenden Abschnitten zeigt dies klar ihre gemeinsame Position in Gottes Familie.
  3. Sie haben geglaubt (4:3; 10:39). Dies spricht für einen uneingeschränkten Glauben an Christus als Retter. Es wird nicht gesagt, dass sie fast geglaubt haben oder in einer unzureichenden Weise geglaubt haben.
  4. Sie haben christliche Zuversicht (3:14; 10:35). Dies bezieht sich darauf, dass sie Gewissheit über die Vorteile als Teilhaber Christi haben. Es wird ihnen daher befohlen an dieser Zuversicht festzuhalten (3:14; 4:14; 10:23) und darin auszuharren (10:36).
  5. Sie sind gefährdet, ihren Glauben zu verleugnen. Sie sind noch nicht, könnten aber "abgleiten" (2:1), "vom lebendigen Gott" abfallen (3:12; 6:6), "zurückweichen" (10:39), oder "abweisen" (12:25). Diese ganze Wortwahl erfordert einen Ausgangspunkt, von dem aus sie abfallen können. Der einzige derartige Punkt in der Epistel ist Jesus Christus und ihr Bekenntnis zu Ihm.
  6. Sie werden aufgefordert, in Gottes Ruhe einzugehen (4:11) und zur Reife überzugehen (6:1). Wie im Alten Testament bezieht sich "Ruhe" nicht nur auf die Annahme des Versprechens Gottes sondern auch auf die Freude daran. Dies ist ausschließlich ein Privileg Gläubiger, da es die Möglichkeit darstellt, zur Reife hin zu wachsen.
  7. Sie litten für ihren Glauben nachdem sie "erleuchtet" (10:32-34) waren. Sie waren im Stande, diese Verfolgung zu ertragen, da sie wussten, dass sie einen himmlischen Besitz haben (10:34).
  8. Es wird ihnen nicht befohlen, an Christus zu glauben, was zu erwarten wäre, wenn es sich um Ungläubige handeln würde. Es wäre ein Hohn für den Autor, dies wegzulassen. Stattdessen sagt er, dass die Epistel zur Mahnung oder Ermutigung der Leser geschrieben wurde.
  9. Sie werden beschrieben als solche, die den Segen erfahren haben, der mit dem Glauben an Christus einhergeht. Die überzeugendsten Indizien stehen in 6:4-5: Sie wurden "erleuchtet", hatten "die himmlischen Gaben gekostet", waren "des Heiligen Geistes teilhaftig geworden" und hatten "das gute Wort Gottes geschmeckt", "dazu die Kräfte des zukünftigen Zeitalters". Jeder Versuch, diese Beschreibungen auf Ungläubige anzuwenden, tut dem Text auf Kosten guter Exegese und des klaren Sinnes des Textes Gewalt an. Sie hatten auch "die Erkenntnis der Wahrheit empfangen" (10:26), waren "geheiligt" (10:29), "kannten" Gott (10:30), waren "erleuchtet" (10:32), und werden ohne Weiteres als "gerecht" bezeichnet (10:38).
  10. Es werden ihnen Analogien aus dem Alten Testament gegeben, die in der Vergangenheit und jetzt in ihrer Gegenwart auf Gottes Züchtigung Seines Volkes zutreffen. In 3:16 wird auf Psalm 95 Bezug genommen, wo es um die Erlösten geht, die aus Ägypten entkamen; dies ist offensichtlich auf die erlösten Leser anwendbar. In 10:30 wird 5. Mose 32:36 zitiert, wo Gott "Sein Volk" richtet. Dass dies auf Gläubige zutrifft wird in 10:31 offensichtlich, wo die Aussicht besteht, "in" die Hände Gottes zu fallen. Sie können nicht aus Seinen Händen fallen.
  11. Sie werden ermahnt, Gott zu "dienen mit Scheu und Furcht; wie es ihm gefällt" (12:28), etwas, das für Ungläubige unmöglich ist.
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  13. Sie stehen der Aussicht auf Belohnungen gegenüber, unter der Bedingung ihrer treuen Beharrlichkeit und ihres Gehorsams. Sie können "Teilhaber Christi" werden (3:14), können in Gottes Ruhe eingehen (4:9,11), können "ein bleibendes Gut in den Himmeln" besitzen (10:34), können "eine große Belohnung" haben (10:35), und können ein "Reich empfangen" (12:28).

Schlussfolgerung

Die Indizienlage ist überwältigend dahingehend, dass der Autor sowohl in der Epistel im Allgemeinen als auch in den Warnungen selbst Christen anspricht. Es gibt keinen Grund, die durch die Warnungen Angesprochenen als Ungläubige zu betrachten. Sie benötigen keine Errettung sondern treue Ausdauer. Augenscheinlich handelt es sich um jüdische Gläubige, die versucht sind, ihr Christentum wegen der drohenden Verfolgung mit Judaismus zu maskieren oder ganz und gar zurückzufallen.

Wahrscheinlich ist der Grund, weswegen so viele diese Warnungen als an Ungläubige gerichtet interpretieren, dass so strenge Urteile angedroht werden, besonders die, in denen Feuer erwähnt wird. Sollte die Erwähnung von Feuer automatisch die Androhung ewiger Verdammnis implizieren? Absolut nicht! Aber das ist das Thema einer weiteren Untersuchung.

Lasst uns als Gläubige sowohl die Ermahnungen, in unserem Bekenntnis zu Christus zu wachsen, als auch die Warnungen, dieses Wachsen nicht zu vernachlässigen, zu Herzen nehmen. Der ganze Hebräerbrief betrifft uns.


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